Quiet Quitting: Nur noch Dienst nach Vorschrift?

Ununterbrochene Erreichbarkeit, zusätzliche Anforderungen außerhalb des Aufgabenbereichs, und selbstverständliche Überstunden: Das ist der Arbeitsalltag vieler Arbeitnehmer*innen.
Viele ziehen nun einen Schlussstrich und machen nur noch Dienst nach Vorschrift. Nicht, weil sie etwa faul wären, sondern vorrangig, um die mentale Gesundheit zu erhalten und einem Burnout, bzw. Überlastungssyndrom vorzubeugen. Dafür gibt es einen Begriff: „Quiet Quitting“.

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Übersicht

Was ist Quiet Quitting?

„Work is NOT your life. Your worth is not defined by your productive output.“

Auf Deutsch übersetzt bedeutet dies: „Arbeit ist nicht dein Leben. Dein Wert wird nicht durch deine Produktivität definiert.“

Diese Worte stammen von dem TikToker @zaidleppelin. Er prägte den Begriff Quiet Quitting: Man muss in seinem Beruf nicht immer alles geben. Sein TikTok-Video ging viral – seit Juli wurde es millionenfach angesehen und erzielte bis heute knapp eine halbe Million Likes.

Quiet Quitting führt oft zu Missverständnissen

Übersetzt man den Begriff Quiet Quitting ins Deutsche, so heißt er „stille Kündigung“ – und genau dies führt zu einem Missverständnis. Quiet Quitting meint nicht die Kündigung, sondern dass Arbeitnehmer*innen einen Gang zurückschalten, Überstunden reduzieren bzw. abbauen und das Arbeitspensum nicht mehr über die Grenzen des Zumutbaren steigt. Das Motto lautet nun wieder „Ich arbeite, um zu leben“ – nicht „Ich lebe, um zu arbeiten“.

Quiet Quitters legen also nicht „die Füße hoch“ und lassen andere für sich arbeiten, ganz im Gegenteil. Sie gehen alle noch ihren Aufgaben und Pflichten nach – nur eben innerhalb der vertraglich geregelten Arbeitszeit.

Welche Rolle spielen die Generation Y und Generation Z?

Infobox:
Generation Y (Millenials): Jahrgänge frühe 1980er bis späte 1990er
Generation Z (Post-Millenials): Jahrgänge 1997 bis 2012

Deloitte hat folgende Studie veröffentlicht: „THE DELOITTE GLOBAL 2022 GEN Z & MILLENNIAL SURVEY“. 

Aktuell ist die Wirtschaftslage prekär: Gehälter bleiben zum Großteil – bei steigender Inflation – gleich. Das demotiviert die Angestellten und Firmen haben Angst vor einem Produktionstief. Der Studie lässt sich entnehmen, dass die Produktivität in den USA in allen Bereichen um 2,5 % gesunken ist – die Ausnahme bildet hier die Landwirtschaft. 

Doch warum? Hier können die Expertinnen und Experten nur mutmaßen: Ein Grund wäre die Corona-Pandemie. Vor allem bei Berufen, die im Homeoffice ausgeübt werden, drohen die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Privatleben zu verschwimmen. Viele Arbeitnehmer*innen konnten zu dieser Zeit nicht mehr abschalten, waren ständig erreichbar und rutschten oft in eine Arbeitssucht. Die Folge: Burnout. Das ist nicht gesund und das kann kein Arbeitgeber wollen. Allerdings greifen viele Unternehmen aus der Angst heraus, dass die Angestellten zu Hause „faul“ seien, häufig mal zu seltsamen Mitteln. Überwachung der Tastatur- und Bildschirmaktivität beispielsweise. 

Auf dem aktuellen Arbeitsmarkt hat es eine Altersgruppe aktuell besonders schwer: Die Generation Z. Nicht, weil es nicht genügend freie Stellen gäbe. Auch hier ist die Antwort wieder das Geld: Berufseinsteiger*innen verdienen meist noch nicht viel Geld, die hohen Lebenshaltungskosten mit Miete, Strom, Lebensmittel etc. gehen allerdings trotzdem beständig nach oben. Die Folgen hiervon für diese jungen Leute: Stress und finanzielle Sorgen. Laut der oben genannten Studie möchten ca. 40 % der Befragten aus der Generation Z innerhalb der nächsten beiden Jahre ihren Job kündigen und sich eine besser bezahlte Anstellung suchen. 

Ein weiterer Aspekt, der sich aus der Studie herauslesen lässt: Die Befragten nahmen ihren Job als nicht mehr so wichtig war. Während der Pandemie wurden ihnen klar, was wirklich zählt – und dazu gehört eine gute Work-Life-Balance.

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Abschied von der Hustle Culture

Auch hier zuerst eine kurze Erklärung: „Hustle“ ist das englische Wort für Eile. Die Hustle Culture meint im Prinzip eine Arbeitskultur, in der jede*r nur noch in Hektik arbeitet, viele Dinge gleichzeitig erledigen möchte (oder muss!), um am Ball zu bleiben und gesehen zu werden. Auf Dauer ist dies ebenfalls nicht gesund: Der Mental Load steigt ins Unermessliche, ein Burnout ist quasi vorprogrammiert.

Viele Arbeitnehmer*innen arbeiten gerne hart und viel, weil sie einfach Freude am Beruf haben. Das ist wirklich schön, wenn für jemanden der Beruf auch die Berufung ist. Allerdings betrifft dies (gefühlt) nur einen eher geringen Prozentsatz aller Angestellten.

In der Hustle Culture sind auch diejenigen gefangen, die ihren Beruf zwar gerne ausüben, insgesamt aber lieber weniger leisten möchten. Oft ist dies nicht möglich, da in sehr vielen Branchen der Fachkräftemangel nicht aufgeholt werden kann. Dies betrifft nicht nur Berufe in der Pflege und generell sozialen Branchen, sondern ebenso Büroangestellte oder Produktionsmitarbeiter*innen.

Und dann gibt es noch die dritte Gruppe: Diejenigen, die wie verrückt arbeiten – getrieben von der Angst, ihren Job zu verlieren.

Das kann aber nicht die Lösung sein! Genau deshalb gehen jetzt viele den Weg des Quiet Quitting. Sie haben innerlich nicht kapituliert oder gar gekündigt, jedoch möchten sie sich nicht mehr „kaputt“ machen. Quiet Quitters leisten gute Arbeit – nur eben innerhalb der bezahlten Arbeitszeit.

Work can give us meaning and purpose. It’s part of a thriving life. We should absolutely reject “hustle culture” and burnout (I believe this so strongly I founded a company with that as its mission). But rejecting burnout doesn’t mean rejecting the possibility of finding joy in our work, loving our work.“

Ariana Huffington (Founder and CEO von Thrive) schrieb dies in ihrem LinkedIn-Post. Sie äußerte sich darin wie folgt: „Wir sollten die Hustle Culture und Burnout absolut ablehnen. […] Burnout abzulehnen, bedeutet allerdings nicht, die Möglichkeit zu haben, Freude an unserer Arbeit zu haben und unsere Arbeit zu lieben.“ 

Was können Arbeitgeber ändern?

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Quiet Quitting sehr eng mit einer guten Work-Life-Balance zusammenhängt.

Was können Sie also tun, um diese zu gewährleisten?

#1 Finden Sie heraus, was sich die Mitarbeiter*innen wünschen

Dies hier ist die erste Hürde. Auch wenn sich die Babyboomer nach und nach vom Arbeitsmarkt verabschieden, müssen hier die Bedürfnisse mehrerer Generationen unter einen Hut gebracht werden: nämlich die der Babyboomer sowie von Gen XGen Y und Gen Z. Eine Möglichkeit, an die Informationen zum Optimierungspotenzial zu kommen, ist eine anonyme Umfrage. Anonym deshalb, weil sich viele dann eher trauen, ihr Anliegen mitzuteilen.

#2 Wertschätzung

Wer sich wertgeschätzt fühlt, arbeitet lieber. Erkennen Sie also die Leistungen der Mitarbeiter*innen an und sprechen Sie dies offen aus. Das können nette Worte zwischen Tür und Angel oder Feedbackgespräche sein. Auch eine Open-Door-Politik trägt maßgeblich dazu bei, dass Angestellte sich gehört und gesehen fühlen. Eine andere Art der Wertschätzung kann ebenfalls sein, Aufgaben und Ziele gemeinsam zu definieren. Vielleicht können auf diesem Wege erfüllendere Aufgaben gefunden werden.

#3 Flexibilität im Arbeitsalltag

Die Pandemie-Jahre haben gezeigt, dass vieles remote erledigt werden kann. Unternehmen haben also wenige Gründe, die Angestellten jeden Tag ins Büro zu holen. Flex Office ist hier eine gute Lösung: Mal ins Büro, mal von zu Hause aus arbeiten. Signalisieren Sie Vertrauen in die Mitarbeiter*innen – niemand sollte im Homeoffice eine „Extrameile“ gehen, nur um zu beweisen, dass er oder sie nicht nur rumsitzt.

#4 Ein realistisches Arbeitspensum

Jeder Mensch hat begrenzte Ressourcen – an dem einen Tag mehr, an einem anderen weniger. Bleiben Sie bei den Anforderungen an die Stelle realistisch. Niemand kann dauerhaft oder eine lange Zeit über sein eigenes Level arbeiten. Sonst werden aus motivierten Angestellten Quiet Quitter und aus diesen irgendwann Quitter.

#5 Angebote zur Gesundheitsförderung

Der Obstkorb in der Küche, der Wasserspender auf dem Flur: All dies sind nette Gesten, lockt aber niemanden in eine Firma. Obst ist zwar gesund, aber Sie könnten auch weitere Angebote zur Gesundheitsförderung bereitstellen: Beispielsweise eine „freie Zeit“ pro Woche, die sich jede*r nehmen kann, um Sport während der Arbeitszeit zu treiben. Oder gemeinsame Auszeiten, die man gemeinsam Yoga macht. Auch können Sie – je nach Unternehmensgröße natürlich – etwas zur Mitgliedschaft im Fitnessstudio beisteuern.

Zur Gesundheitsförderung zählt allerdings auch, Arzttermine während der Arbeitszeit zu gestatten, ohne eine Krankmeldung oder Urlaub zu erwarten. Nicht nur für Vollzeit Arbeitende ist es nahezu unmöglich, einen Termin innerhalb der Sprechzeiten wahrzunehmen. Denken Sie hierbei auch an die in Teilzeit Angestellten. Da warten nachmittags ebenfalls Verpflichtungen, die es oft unmöglich machen, einen Termin wahrzunehmen.

Nutzen Sie also die Chance, aktiv dem Quiet Quitting entgegenzuwirken!

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Maßnahmen zur Work-Life-Balance

Vanessa Kammler

Vanessa Kammler

Als Redakteurin bei JOBmenü extrahiert sie gern spannende Erkenntnisse aus Studien, schreibt am liebsten Leitfäden und stellt Ihnen gern smarte Recruiting-Tricks vor.

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Bildquelle: George Milton; pexels.com