Die Frauenquote: Besser als ihr Ruf – aber kein Allheilmittel
Mit der Frauenquote tut man Frauen keinen Gefallen. Das zumindest behauptete kürzlich ein deutscher Spitzenpolitiker. Schaut man allerdings auf die Fakten und Erkenntnisse aus anderen Ländern, stellt sich heraus: Von der Frauenquote profitieren nicht nur weibliche Spitzenkräfte, sondern insbesondere die Unternehmen.
Übersicht
Das Festhalten an überholten Rollenbildern und Vorurteilen gegenüber einer Quote ist ein wirtschaftlicher Nachteil – denn Unternehmen mit höherer Diversität und einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis sind innovationskräftiger und produktiver. Außerdem steigt ihre Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und kreative Lösungen für Herausforderungen zu finden.
Trotz Frauenquote besteht in Deutschland noch Nachholbedarf
Leider hat Deutschland in diesem Bereich weiterhin Nachholbedarf. Im internationalen Vergleich sind Frauen in Spitzenpositionen deutscher Unternehmen deutlich unterrepräsentiert. Obwohl es seit 2015 eine gesetzliche Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte gibt und die Gesetzgebung 2021 auch noch einmal ausgeweitet wurde, bleiben noch zu viele Möglichkeiten für Unternehmen, die Quotenregelung zu umgehen. Auch werden Sanktionen nicht umfassend umgesetzt.
Seit August 2021 ist eine Mindestbeteiligung für Vorstände börsennotierter Unternehmen mit mindestens vier Mitgliedern in Kraft getreten. Diese gesetzlichen Vorgaben haben in kurzer Zeit messbare Fortschritte erzielt: Bei den gesetzlich verpflichteten Unternehmen stieg der Frauenanteil in Vorständen auf 19 Prozent. Dennoch bleiben deutsche Unternehmen hinter anderen europäischen Ländern zurück.
Die Realität in Deutschland: Von den 200 umsatzstärksten Unternehmen können ganze 44 Prozent keine einzige Frau im Vorstand vorweisen. Bei weiteren 40 Prozent ist nur eine Frau vertreten. Um die kritische Schwelle für positive Effekte einer Quote zu überschreiten, müssten 33 Prozent aller Vorstandspositionen mit Frauen besetzt werden.
Die Quote begünstigt qualifizierte Frauen – und steigert die Qualität insgesamt
Ein immer wieder mit viel Enthusiasmus vorgetragenes Argument der Quotengegner ist die Befürchtung, dass eine Quote weniger qualifizierte Frauen gegenüber höher qualifizierten Männern bevorzugen würde. Die Realität und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Diese Angst ist unbegründet.
In Norwegen etwa verfügen die durch Quoten berücksichtigten Frauen über höhere Bildungsabschlüsse als ihre männlichen Kollegen. Diese Entwicklung reflektiert einen allgemeinen Trend in Europa, wo Frauen häufiger als Männer Hochschulabschlüsse vorweisen. In Bezug auf Führungserfahrung gibt es bei Frauen noch Aufholbedarf, was vor allem auf ihr jüngeres Durchschnittsalter zurückzuführen ist. Dieser Nachteil dürfte sich der Einschätzung von Experten zufolge jedoch langfristig ausgleichen.
Die italienische Erfahrung zeigt zudem, dass die Frauenquote nicht nur die Qualität der berufenen Frauen, sondern auch die der Männer steigern kann. Durch den insgesamt größeren Talentpool wurden minderqualifizierte Bewerber seltener berücksichtigt, wodurch die Gesamtqualität der Führungsriegen wuchs. In Italien verbesserte sich außerdem das Auswahlverfahren für Aufsichtsräte: Anstelle sich für die Besetzung auf familiäre Beziehungen zu konzentrieren, achteten Unternehmen nach Einführung der Quote deutlich mehr auf Qualifikation und Eignung der Kandidat:innen.
Studien belegen, dass Quotenregelungen Frauen dazu ermutigen können, sich für Führungspositionen zu bewerben und ihre Präsenz in diesen Rollen zu normalisieren. Die Quote schafft sichtbare Vorbilder, die insbesondere junge Frauen inspirieren, ambitionierte Karrieren zu verfolgen. Außerdem steigen Motivation und Produktivität von weiblichen Fachkräften deutlich, wenn in ihrem Unternehmen sichtbare weibliche Vorbilder vertreten sind. In Ländern mit Quoten ist der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen mit 35 Prozent signifikant höher als in Ländern ohne Quoten, die nur 22 Prozent aufweisen. Diese positive Entwicklung bleibt aus, wenn Länder nur auf Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung von Unternehmen setzen.
Herausforderungen und Grenzen der Frauenquote
Die Frauenquote bleibt ein kontroverses, aber wirkungsvolles Mittel, um die Geschlechterparität in Spitzenpositionen voranzutreiben. Sie zielt darauf ab, systemische Barrieren abzubauen und Frauen den Zugang zu Führungspositionen zu erleichtern.
Doch trotz der Fortschritte bleibt die Frauenquote kein Allheilmittel. Vor allem bei Spitzenpositionen wie Geschäftsführung und Aufsichtsrat zeigt sich, dass es keinen nennenswerten „Trickle down Effekt“ gibt. Diese Positionen haben keinen oder nur sehr wenig Einfluss auf das Geschlechterverhältnis in unteren Führungsebenen. Anders sieht es bei der mittleren Management-Ebene aus: Je mehr Frauen hier vertreten sind, desto besser sind die Karrierechancen für Frauen insgesamt.
Die Frauenquote für Top-Positionen hat eine wichtige Signalfunktion und sorgt bei konsequenter Umsetzung dafür, dass weibliche Perspektiven bei Entscheidungen mitberücksichtigt werden, was die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt insgesamt vorantreibt. Um wahre Chancengleichheit zu gewährleisten, sind jedoch weitere Maßnahmen erforderlich, wie die Förderung flexibler Arbeitsmodelle, die Bekämpfung von Vorurteilen und der Abbau struktureller Diskriminierungen.
Um langfristige Veränderungen zu sichern, müssen Unternehmen und die Politik gemeinsam daran arbeiten, eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in allen Führungsebenen zu ermöglichen. Unternehmen, die solche Maßnahmen bereits fest in ihre Kultur integriert haben, können dies durch Employer Branding nach außen hin sichtbar machen und so als motivierendes Beispiel für andere Arbeitgeber dienen.
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Bildquelle: geralt; pixabay.com
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